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Pferde und Hunde: Gleichberechtigung bei der Tiergefahr

Pferde sind Fluchttiere, Hunde Raub- und Jagdtiere. Rechtlich sind aber beide gleich gefährlich, meint das Oberlandesgericht Rostock. Diese etwas fragliche Gleichberechtigung hatte zur Folge, dass ein Pferdebesitzer nur die Hälfte des Werts seines verstorbenen Pferdes verlangen kann.

 

Die Tochter der Beklagten war mit deren Dalmatiner auf einer Hotelanlage spazieren gegangen, als der Hund plötzlich auf das Pferd des Klägers, das auf der Koppel der Anlage graste, loslief. Das 30.000 €-Pferd geriet in Panik und lief vor dem Hund davon. Auf der Flucht versuchte es, ein Gatter zu überspringen, blieb aber mit der rechten Hinterhand daran hängen und erlitt eine offene Trümmerfraktur, die die Einschläferung zur Folge hatte.

Für die „Tat“ des Hundes haften die Eltern als Tierhalter gemäß § 833 BGB, ohne dass es eines besonderen Verschuldens bedurft hätte. Hintergrund ist, dass ein Tier sich immer unberechenbar verhalten kann und dass der Halter für diese Tiergefahr einstehen soll. Eine auf Seiten des Geschädigten mitwirkende Sach- und Betriebsgefahr kann jedoch den Ersatzanspruch beschränken, auch bei der Tierhalterhaftung. Das heißt, dass sich bei einem Mitverschulden des Geschädigten die Haftungshöhe der Hundehalter reduzieren kann. Fraglich war daher, ob ein auf der Koppel grasendes Pferd an sich schon eine Gefahr darstellt wie etwa ein Pkw, der auch ohne dass er gefahren wird beispielsweise durch bloßes Wegrollen für andere Verkehrsteilnehmer gefährlich sein kann. Von einem Pkw geht somit immer eine Betriebsgefahr aus.

 

Eine solche Sach- und Betriebsgefahr sieht das Gericht auch bei dem Pferden grundsätzlich als gegeben an:

Ein Pferd würde zwar keine anderen Tiere angreifen oder hetzen, meinten die Richter. Ihre Gefahr ergebe sich aber auch aus der Unberechenbarkeit des tierischen Verhaltens. So könne ein Pferd etwa mit den Hufen austreten oder scheuen, wobei es sich selbst und andere erheblich gefährden und verletzen würde. Das Gericht sah die Gefahr der Tiere als gleichwertig an, so dass die Hundehalter nur zu 50 % für den entstandenen Schaden haften.

 

Die grundsätzliche Gleichheit vor dem Gesetz für alle Arten von Tieren mag begrüßenswert erscheinen. Auch mag – selbst wenn das Gericht dies so nicht näher ausführt – einleuchten, dass ein Pferd allein wegen seiner Größe und Kraft potentiell ebenso gefährlich ist wie ein Hund. Jedoch hat das Gericht vorliegend nicht berücksichtigt, dass das Pferd passiv auf der Weide stand und nicht etwa nahe an dem Hund vorbeilief oder vorbeigeritten wurde. In einem solchen Fall würden die Feststellungen des Gerichts überzeugen, dass beide Tiere potentiell gleich gefährlich sein können. Im zu entscheidenden Fall ist jedoch offensichtlich nur der Hund seinem Jagdinstinkt gefolgt, ein Mitverschulden im Sinne einer „Herausforderung“ war nicht ersichtlich. Die typische Gefahr des Scheuens und Austretens beim Pferd hat sich nicht realisiert, denn das Pferd ist lediglich geflohen. Eine höhere Haftungsquote für die Beklagten als Hundehalter wäre daher angemessen gewesen. 

 

Rechtsanwältin Dr. Christine Conrad | www.conrad-recht.de

 

 

35. Ausgabe Februar/März 2011