Skala der Ausbildung Geraderichten

Wie jeder Mensch ist auch jedes Pferd ein Rechts- oder Linkshänder. Der Mensch kommt sehr gut mit dieser „Händigkeit“ zurecht. So benutzt der Rechtshänder die rechte Hand immer für die gleichen Aufgaben, z.B. Schreiben, Zähneputzen, Werkzeughalten, ob Messer, Schere, Hammer und vieles andere mehr. Die linke Hand hält das zu bearbeitende Objekt fest, bzw. unterstützt die arbeitende Hand und hat sehr viel weniger anspruchsvolle Aufgaben. (Dies gilt natürlich auch für Linkshänder seitenverkehrt).

 

Die meisten Menschen, die diese gewohnten Bewegungsabläufe andersrum versuchen, werden dies kopfschüttelnd, hoffentlich mit einem Lächeln abbrechen und sich über die eigene Unfähigkeit wundern! Aber - mit viel Übung und Training kann „Mensch“ sich „beidhändig“ machen, z.B. Sportler tun das: ein Hundertmeterläufer kann es sich nicht leisten mit dem rechten Bein schneller zu sein als mit dem linken. Oder ein Ruderer – der würde ja mit einer stärkeren Seite im Kreis fahren. Auch die Nicht-Sportler müssen darauf achten sich beidseitig zu belasten, damit es langfristig nicht zu einseitiger Überbelastung, z.B. einer Krümmung der Wirbelsäule kommt. Das beginnt mit dem richtigen Tragen des Schulranzens, dem Heben von schweren Gegenständen, dem Sitzen im Bürostuhl etc...Und selbstverständlich beim Sitzen auf dem Pferd!

Ein Pferd, welches nicht geritten wird, kommt wunderbar mit seiner natürlichen Schiefe zurecht. Es findet so besser sein Gleichgewicht. Doch sobald es ein Reitpferd wird, ist die Belastung für den Pferdekörper zu groß, um die Schiefe zu ignorieren. So fußt z.B. bei einem nach rechts schiefen Pferd das rechte Hinterbein rechts am Schwerpunkt vorbei. Dadurch entsteht mehr Belastung auf dem linken Vorderbein und die linke Halsseite spannt sich mehr an.

Wenn man ein Pferd lange in einer solchen Körperhaltung reitet, kann es zu Verschleiß kommen. Um dem vorzubeugen, muss man die natürliche Schiefe wegtrainieren. Beide Körperseiten sollen gleichmässig gekräftigt und ebenso beweglich, wie biegsam gemacht werden. Ziel des Geraderichtens ist, dass die Vor- und Hinterhand in einer Spur laufen. Dadurch sind alle vier Beine gleich belastet, der Hals wird frei getragen und natürlich kann der Rücken von hinten nach vorne auf beiden Seiten schwingen.

Voraussetzung dafür sind die vorhergehenden Punkte der Ausbildungsskala, Ziel die Versammlung.

Allerdings können natürlich geraderichtende Lektionen wie z.B. Seitengänge schon frühzeitig eingesetzt werden um z.b. die Anlehnung zu verbessern und damit auch das allgemeine Wohlbefinden von Pferd und Reiter fördern. 

Durch das Geraderichten soll das Pferd sein Gleichgewicht finden, obwohl es, gegen seine Natur dabei mit beiden Hinterhufen in Richtung des Schwerpunkts tritt und nicht links oder rechts daran vorbei. Wie man ein Pferd dahin bekommt liegt im Geschick bei der Auswahl des richtigen Ausbildungsweges. Es gilt zu erkennen, welches die hohle und welches die steife Seite ist. Durch Reiten von gebogenen Linien und Seitengängen gymnastiziert und kräftigt man den Pferdekörper. Es sollte immer nach dem Grundsatz, „vom Leichten zu Schweren“ trainiert werden. Vor allem aber muss der Reiter bei sich selber anfangen. Das bedeutet ausbalanciert und möglichst beidhändig auf dem Pferd sitzen. Kein Pferd kann sich Geradegerichtet und ausbalanciert bewegen, wenn der Reiter schief sitzt und immer einseitig massivere und stärkere Hilfen gibt.

 

Juliane Denman

 

32. Ausgabe August/September 2010