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Kastration - wenn aus dem Hengst ein Wallach wird

Bei der Kastration männlicher Tiere handelt es sich um einen der ältesten chirurgsichen Eingriffe in der Veterinärmedizin. Kastrierte männliche Pferde sind im Allgemeinen weniger temperamentvoll, einfacher im Umgang und lassen sich problemlos in der Gruppe halten. Unter der Kastration männlicher Tiere versteht man die vollständige Entfernung beider Hoden mit Nebenhoden. 

Es haben sich unterschiedliche Operationstechniken etabliert, man unterscheidet die bedeckte Kastration von der unbedeckten. Der Hoden ist im Hodensack von dem sehr dünnen Scheidenhautfortsatz bedeckt. Dieser Scheidenhautfortsatz stellt eine Ausstülpung des Bauchfells dar. Bei der unbedeckten Kastration werden alle Hodenhüllen inklusive dem Scheidenhautfortsatz durchtrennt, um Hoden und Nebenhoden abzusetzen.

Bei dieser Methode besteht somit eine Eröffnung der Bauchhöhle.

Die unbedeckte Kastration kann am stehenden, sedierten Hengst durchgeführt werden, oder aber in einer Kurznarkose am liegenden Tier. Die Kastrationswunden werden nicht vernäht, sie bleiben offen. Als Komplikationen können neben Blutungen und Wundinfektionen (offene Kastrationswunde!) ein Darmvorfall auftreten, da der eröffnete Scheidenhautfortsatz Zugang zur Bauchhöhle bietet. Treten Darmteile aus der Kastrationswunde hervor, handelt es sich um einen Notfall mit akuter Lebensgefahr, der Darm sollte vor Ort durch den Haustierarzt zurückverlagert werden. Ein weiterer Vorfall kann durch oberflächliche Naht oder ein steriles Tuch, zwischen den Beinen fixiert, vorübergehend verhindert werden. Diese Patienten müssen jedoch schnellstmöglich in einer Pferdeklinik unter Vollnarkose versorgt werden. Die unbedeckte Kastration eignet sich nur für Pferde bis zum 2. Lebensjahr, bei älteren Hengsten ist die Gefahr des Darmvorfalls extrem groß.

Die bedeckte Kastration wird ausschliesslich in Vollnarkose durchgeführt, sie eignet sich für Hengste jeden Alters. Die Gefahr des Darmvorfalls besteht bei dieser Methode nicht, da der Scheidenhautfortsatz geschlossen bleibt. Es werden lediglich alle anderen Hodenhüllen durchtrennt, der Schei-denhautfortsatz wird ligiert (abgebunden) und erst dann werden Hoden und Nebenhoden abgetrennt. Die Kastrationswunden werden vernäht, so dass die Gefahr von Wundinfektionen minimiert wird.

Befindet sich bei einem vorher nicht kastrierten Hengst lediglich ein oder gar kein Hoden im Hodensack, werden diese Tiere Klopphengste oder Kryptorchiden genannt.

Der Hoden wird, ebenso wie der Eierstock, in Höhe der Nieren angelegt. Während der embryonalen Entwicklung „wandert“ der Hoden in den Hodensack, dieser Hodenabstieg sollte beim Pferd spätestens in der 2.-3. Lebenswoche abgeschlossen sein. Findet man nun einen Klopphengst vor, kann der fehlende Hoden zwischen der Nierenregion in der Bauchhöhle und dem Leistenkanal liegen. Eine rektale Untersuchung unter Sedation, eventuell mittels Ultraschall gibt Aufschluss über die Lage des Hodens. Liegt er im Bereich des Leistenkanals, wird eine  Kastration in Vollnarkose über die Leistengegend möglich. Befindet sich der Hoden in der Bauchhöhle, ist er nur über einen Bauchschnitt zu entfernen. Es muss beachtet werden, dass der Hoden unter diesen Umständen eventuell nicht auffindbar ist. Das Hodengewebe stellt sich nicht physiologsich dar und ist somit schwer zu ertasten. Des weiteren können nicht alle Darmanteile vorgelagert (aus dem Bauch herausgenomen) werden, um den Hoden im Bauchraum zu suchen.

Besteht Unklarheit über den Kastrationsstatus eines männlichen Tieres, können Hormonuntersuchungen des Blutes Aufschluss geben. Der Testosteronspiegel sowie der HCG-Stimulationstest zeigen, ob es sich tatsächlich um einen Klopphengst oder einen Wallach handelt.

 

 

Dr. Claudia Stroth, Pferdeklinik Tappendorf, www.pferdeklinik-tappendorf.de

 

 

32. Ausgabe August/September 2010