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Von Ausritten und Ausstritten: Rote Schleife erforderlich - Sicherheitsabstand nicht

Die hoffentlich noch verbleibenden sonnigen Tage genießt man am besten zu Pferde auf einer schönen Runde durch Wald und Wiese. Doch nicht alle Pferde sind beim Gruppenausritt freundlich und entspannt. Nach Pferd (und Mensch) auskeilende Vierbeiner sind immer mit einer roten Schleife zu kennzeichnen und am Schluss der Gruppe zu halten. Fehlt diese, kann sich der Reiter des austretenden Tieres nicht auf ein Mitverschulden des Getretenen berufen, urteilten die Oberlandesgerichte Koblenz und Frankfurt am Main.

In beiden Fällen wurden nicht die Pferde, sondern deren Reiter erheblich am Bein verletzt. Die Kosten der Heilbehandlung, Schmerzensgeld und weitere Kosten sollten sie aber nach Ansicht der Verursacher nicht vollumfänglich bekommen. Das sahen die Gerichte anders. 

Sie folgten nicht der Argumentation, ein Mitverschulden liege vor, weil der verletzte Reiter von hinten zu dicht an das später auskeilende Pferd herangeritten sei. Die zu Auffahrunfällen im Straßenverkehr entwickelten Rechtsprechungsgrundsätze sind nach Ansicht der Gerichte nicht auf Reitunfälle übertragbar. „Autos pflegen nicht nach hinten auszutreten“, heißt es wörtlich im Urteil der Koblenzer Richter. Zudem hatte sich das Gericht überzeugen lassen, dass sich selbst bei Beachtung der Sorgfaltsregeln des Reitsports eine gefahrenträchtige Annäherung der Pferde insbesondere bei unvorhersehbarem Wechsel der Gangart oder Scheuen des vorderen Pferdes nicht immer sicher vermeiden lasse. Ein Sicherheitsabstand ist daher gut, aber bei Nichteinhaltung nicht ein Grund für eine Mithaftung.

Vielmehr hielt es das Oberlandesgericht Koblenz für erforderlich, Pferde, die zum Auskeilen neigen, mit einer roten Schleife am Schweif zu kennzeichnen und außerdem mit einem derart gefährlichen Tier bei einem Gruppenausritt stets ganz am Schluss der Gruppe zu reiten. Hätte der Reiter des austretenden Pferdes diese Sorgfaltsregeln des Reitsports beachtet, wäre es nicht zu dem Unfall mit seinen schwerwiegenden Folgen gekommen. 

Darüber hinaus hatte der Reiter des auskeilenden Pferdes behauptet, dass er dem später Verletzten vorab mitgeteilt habe, dass sein Tier zum Austreten neige. Der verletzte Reiter war erst zum zweiten Mal bei einem Ausritt dieser Gruppe dabei. Keiner der vernommenen Zeugen hatte die Behauptung bestätigt, der Verletzte sei vor dem Unfall – von wem auch immer – auf die Gefährlichkeit des Pferdes hingewiesen worden. Auch aus diesem Grunde hielt das Gericht schon eine Mithaftung für ausgeschlossen.

Eine kleine rote Schleife kann daher ohne viele Worte Unklarheiten beseitigen, lange Rechtstreitigkeiten verhindern und uns zu einem entspannteren Ausreiten verhelfen.

 

 

Rechtsanwältin Dr. Christine Conrad | www.conrad-recht.de

 

 

Veröffentlicht im horseWOman Magazin im Jahr 2009